GenAI in BI und Analytics
Mit kühlem Kopf durch das Spannungsfeld zwischen Euphorie und Skepsis navigieren
Zu Beginn des Jahres haben Kevin Petrie, Robert Tischler und ich eine BARC-Studie mit dem Titel Adopting Generative AI for Analytics: „Early Trends, Lessons and Best Practices in der Reihe The Future of BI & Analytics“ veröffentlicht. Der Hype um generative KI war noch frisch, und wir wollten herausfinden, welche Pläne Unternehmen speziell im Bereich Business Intelligence und Analytics (BIA) mit dieser Technologie verfolgen und welche Erwartungen sie damit verknüpfen.
In einer Zeit, in der die mediale Berichterstattung über Investitionen und Innovationen nahezu überschlug und viele von uns noch versuchten, die Geschehnisse zu begreifen, waren die Ergebnisse unserer Studie in vielerlei Hinsicht überraschend.
Ergebnisse aus der GenAI-Studie
69 Prozent der Unternehmen erwarteten innerhalb der nächsten 18 Monate lediglich moderate, geringe oder sehr geringe Verbesserungen durch den allgemeinen Einsatz von GenAI. Für den speziellen Einsatz in BIA waren die Erwartungen sogar noch gedämpfter: 74 Prozent der Studienteilnehmer rechneten mit maximal moderaten Verbesserungen, wobei fast die Hälfte von ihnen nur geringe bis sehr geringe Verbesserungen erwartete. Dennoch gab es auch ein Viertel der Befragten, die hohe Erwartungen an GenAI hegten und sich offenbar vom Hype hatten anstecken lassen.
Abbildung 1: In welchem Ausmaß wird GenAI in den nächsten 12-18 Monaten die Nutzung von BIA in Ihrem Unternehmen verbessern / ihrem Unternehmen allgemein nützen? Quelle: BARC-Survey „The Future of BI & Analytics“, n=208, n=215
Erwartungen nach Berufsgruppen in BI & Analytics
Doch wer waren die Befragten, die stellvertretend für ihre Unternehmen eine solch reservierte Haltung einnahmen? Spielte möglicherweise die berufliche Position eine Rolle in der Bewertung? Die detaillierte Analyse der Erwartungen nach Berufsgruppen brachte interessante Erkenntnisse ans Licht (Abbildung 2).
Tatsächlich scheint die berufliche Position einen erheblichen Einfluss auf die Einschätzung des Mehrwerts von GenAI zu haben. Die Gründe, warum einige Berufsgruppen eher skeptisch sind, konnten wir aus den Ergebnissen jedoch nicht vollständig ableiten. Die Motive der Optimisten hingegen sind leicht nachvollziehbar:
- Data Engineers können unkomplizierte Unterstützung bei der Programmierung von Data Pipelines erhalten und dadurch schneller Ergebnisse liefern.
- Fachanwender werden befähigt Aufgaben eigenständig zu erledigen, für die sie zuvor auf Unterstützung von der IT oder Power-Usern angewiesen waren.
- Das C-Level sieht die Möglichkeit, dass ihre Mitarbeiter künftig noch effizienter arbeiten könnten.
Bei den Pessimisten herrschte, wie erwähnt, weniger Einigkeit. Deshalb betrachten wir mehrere Erklärungsansätze als plausibel und sind offen für weitere Interpretationen:
- Konkurrenz durch weniger erfahrene Kollegen
- Degradierung der eigenen Fähigkeiten
- Zweifel an der Qualität und Validität der mit GenAI generierten Ergebnisse
- Bedenken hinsichtlich der sicherheitskonformen Handhabung von GenAI
- Skepsis, ob das eigene Unternehmen die Technologie zeitnah und sinnvoll einsetzen kann
Besonders nachdenklich stimmte uns die mangelnde Zuversicht bei Data Scientists – einer Berufsgruppe, die normalerweise sehr aufgeschlossen gegenüber Innovationen ist. Bei der Online-Veranstaltung zur Veröffentlichung der Ergebnisse äußerte Stephanie Griffiths die Vermutung, dass diese Zurückhaltung darauf zurückzuführen sei, dass die Datenwissenschaftler noch nicht genügend Zeit hatten, sich mit GenAI und entsprechenden Sprachmodellen vertraut zu machen und diese daher noch als Fremdkörper in ihrer bisherigen Arbeitsrealität wahrnehmen.
Zeit als entscheidender Faktor in der GenAI-Entwicklung
Zeit ist im Zusammenhang mit der Einführung von GenAI in Unternehmen ein entscheidender Faktor – und zwar auf mehreren Ebenen. Einerseits gilt es, keine Zeit zu verlieren, um mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Unternehmen, die jetzt nicht beginnen, sich mit GenAI auseinanderzusetzen, riskieren, in naher Zukunft den Anschluss zu verlieren. Diejenigen, die zu lange abwarten, könnten sich in einer Position wiederfinden, in der sie nicht mehr konkurrenzfähig sind.
Andererseits müssen wir den Mitarbeitern die nötige Zeit geben, um mit der neuen Technologie zu experimentieren. Nur so können sie lernen, die Möglichkeiten von GenAI voll auszuschöpfen und ihre Arbeitsweise entsprechend anzupassen. Dieser Freiraum für Experimente ist unerlässlich, um nicht nur oberflächliche Berührungspunkte, sondern tiefgreifende Kompetenzen zu entwickeln. In diesem Kontext ist es besonders wichtig, auch die Skeptiker einzubinden, ihre berechtigten Vorbehalte ernst zu nehmen und Ängste und Befürchtungen abzubauen.
Denken Sie einmal darüber nach:
Wie viel Zeit und Raum wird in Ihrem Unternehmen den Mitarbeitern gegeben, um neue Technologien wie GenAI zu erforschen? Wurde bereits ein Rahmen geschaffen, in dem Experimente nicht nur erlaubt, sondern aktiv gefördert werden?
Innerhalb des Experimentierphase können ebenfalls sinnvolle Anwendungsfälle identifiziert werden, deren Implementierung nachhaltige Verbesserungen versprechen. Es ist nicht nur wichtig, schnell zu handeln, sondern auch mit Bedacht und Klarheit vorzugehen. Die Auswahl der Anwendungsfälle sollte auf fundierten Überlegungen basieren, die den spezifischen Anforderungen und Zielen des Unternehmens entsprechen.
Das Zitat von Steve Blank aus dem Vorwort von Lead and disrupt how to solve the innovators dilemma (2021) passt hier perfekt: „In the end, exploitation pays your salary while exploration pays your pension. “ Diese Aussage unterstreicht die Bedeutung der richtigen Balance zwischen dem, was kurzfristig den Betrieb am Laufen hält, und dem, was langfristig die Zukunft Ihres Unternehmens sichert. GenAI ist eine dieser disruptiven Technologien, bei der es essenziell ist, in die Exploration zu investieren, um langfristig Erfolge zu erzielen.
Dabei darf man jedoch nicht in die Falle der „Fear of Missing Out“ (FOMO) tappen. Die Einführung von GenAI sollte nicht übereilt oder aus einem Gefühl des Drucks heraus geschehen. Stattdessen ist es entscheidend, die neue Technologie in eine übergreifende Unternehmensstrategie für Data & Analytics zu integrieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass GenAI nicht nur ein weiteres Buzzword bleibt, sondern tatsächlich nachhaltige Mehrwerte schafft.
Unsere Studienergebnisse belegen ebenfalls, dass Angst im Zusammenhang der Einführung von GenAI unbegründet ist (siehe Abbildung 3). 51 Prozent der Unternehmen hielten zum Zeitpunkt der Befragung noch die Füße still und setzten GenAI allgemein noch nicht ein. Im BIA-Umfeld waren es sogar 60 Prozent, die bis dahin untätig geblieben waren.
Abbildung 3: Welchen Status hat GenAI in Ihrer Organisation im Allgemeinen? Source: BARC Survey „The Future of BI & Analytics“ n=234
Zum damaligen Zeitpunkt erschien uns der Prozentsatz der Unternehmen, die sich bereits in der Implementierungsphase befanden (22 Prozent), relativ hoch. Allerdings wurde auch nicht spezifiziert, was unter Operationalisierung zu verstehen ist. Es könnte ebenso die Bereitstellung eines Chatbot-Assistenten für einen ausgewählten Kreis von Mitarbeitern über einen Firmenaccount (z.B. bei OpenAI) umfassen.
Generell gehen sogenannte First Adopters häufig das Risiko ein, in unausgereifte Technologien zu investieren und mehr Lehrgeld für das Auftreten von unerwarteten Problemen zu zahlen. Als Vorreiter erarbeiten sie sich zwar klare Vorteile, aber sie können nicht auf Best Practices, umfassenden Support oder stabile Softwareversionen zurückgreifen.
Von Abwarten zu Handeln
Angesichts dieser Erkenntnisse gilt es, den Zustand des Abwartens zu überwinden und in die Experimentierphase mit GenAI überzugehen. Nutzen Sie die Erfahrungen der First Adopters – sowohl ihre Fehler als auch ihre Erfolge – als wertvolle Lernquelle. Gehen Sie dabei mit kühlem Kopf vor, investieren Sie gezielt in sorgfältig ausgewählte Anwendungsfälle, und integrieren Sie die Technologie mit strategischem Weitblick schrittweise in den Arbeitsalltag. Dabei sollten Sie die Befindlichkeiten, Sorgen und Bedenken Ihrer Mitarbeiter stets im Blick behalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine langfristig zum Unternehmenserfolg beiträgt.
Ist der Transformationsprozess ihres Unternehmens bereits auf ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine und Nachhaltigkeit eingestellt?
Autor: Alexander Seeliger
Analyst Data & Analytics, Data Scientist bei BARC
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