Material Ledger in SAP S/4HANA – Bestandsbewertung & Istkalkulation
Istkalkulation und Bestandsbewertung
Das Material Ledger im R/3 wird als Zusatzfunktionalität angeboten, um die Erfassung und Verarbeitung der Bewegungsdaten auf Materialebene zu verfeinern und detaillierte Angaben zu den Bestandsbewegungen zu liefern.
Als spezielles Nebenbuch kann dadurch die Bestandsbewertung (unabhängig von der Buchungskreiswährung) in bis zu drei Währungen dargestellt werden. Die Umrechnung geschieht zum Buchungszeitpunkt mit dem jeweils gültigen Umrechnungskurs zur Währung.
Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass mittels unterschiedlicher Bewertungsansätze, eine Transferpreisberechnung und / oder auch die Profitcenterbewertung gestattet wird, um die gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen. Eine weitere wichtige Funktion des Material Ledgers stellt die Istkalkulation dar, um die Materialien im Rahmen des Periodenabschlusses zu ihren tatsächlichen Kosten zu bewerten – indem die Istkosten für Lagerbestände und Umsatzkosten (inkl. Bestandsabweichungen) entlang des Beschaffungsprozesses berechnet werden. Somit ist neben der Produktkostenplanung (CO-PC-PCP) und der Kostenträgerrechnung (CO-PC-OBJ) eine weitere Komponente (CO-PC-ACT) des Produktkosten-Controllings abgedeckt.
Universal Journal
Mit der Einführung der HANA-Datenbank und dem daraus folgenden neuen ERP-System SAP S/4HANA hat die SAP u.a. das Ziel neue Standardfunktionen umzusetzen, um den Kunden einen höheren Nutzen zu bieten. Insbesondere die Bestandsbewertung war im Fokus und wurde aktualisiert. Seit dem Release SAP S/4HANA 1610 ist diese ein integraler Bestandteil der Finanz- und Materialwirtschaftskomponente. Ganz nach dem Prinzip „Single Source of Truth“ wird nun das Material Ledger als Nebenbuchüber das Universal Journal (ACDOCA) direkt an das Hauptbuch angebunden.
Möchten Sie mehr über das Universal Journal und der Single Source of Truth erfahren?
Besuchen Sie doch gerne unseren weiteren Blog zu diesem Thema.
Bestands- und Materialbewertung
Durch den Ansatz des „Single Source of Truth“ wird das Material Ledger zur einzigen Quelle der Bestands- und Materialbewertung im SAP S/4HANA. Damit findet die Bewertung nicht mehr in MM-Tabellen, sondern in eigenen Material-Ledger-Tabellen statt. Somit löst das Finanzwesen die Materialwirtschaft bei der Bestandsbewertung ab.
Durch die Aussage, dass das „Material Ledger im SAP S/4HANA obligatorisch“ ist, wurde bei vielen Unternehmen eine gewisse Unruhe erzeugt, da viele Unternehmen die Istkalkulation nicht benötigen und das Material Ledger nie aktiviert wurde – aufgrund der Gleichstellung von Material Ledger mit Istkalkulation. Aber nun ist das Material Ledger als eine der wichtigsten Funktionen obligatorisch und stellt durch die Integration ins Hauptbuch ein wichtiges Tool für Analyse- und Reportingzwecke dar.
Die neue Istkalkulation ist aber weiterhin eine eigenständige Komponente und somit optional. Im Gegensatz zum SAP ERP wurde die Performance durch eine eigene Datenhaltung wesentlich vereinfacht und optimiert.
Die Bestandsbewertung in parallelen Währungen
- Buchungskreiswährung Euro
- Konzernwährung US-Dollar
Beide Währungen stellen eine legale Bewertungssicht dar. Jede bewertete Warenbewegung für dieses Material wird nun in allen Währungen gleichzeitig mit der jeweils zugeordneten Preissteuerung und dem Preis gebucht. Somit kann der Bestand sowohl in der Hauswährung als auch der Konzernwährung angezeigt werden.
Über die Analyse-Tools können Sie nun mittels Berichte, detaillierte Sichten nach Material als auch nach Materialien ziehen, um die Werte in den verschiedenen Währungen anzuzeigen. Dazu steht Ihnen bspw. die Materialpreisanalyse zu Verfügung, die Sie über die dazugehörige App oder aus der Schaltfläche Materialpreisanalyse im Materialstamm aufrufen. Dies bietet Ihnen eine detaillierte Auflistung der Lagerbestände und -bewegungen für ein bestimmtes Material auf Basis der Perioden.
Material Ledger im SAP S/4HANA: Die Istkosten-Kalkulation
Die Istkosten-Kalkulation hat zum Ziel, eine Ermittlung von Istkosten für fremdbeschaffte und eigengefertigte Materialien sowie eine istkostengerechte Bestandsbewertung aller wertmäßig geführten Materialien durchzuführen. Hierfür wird ein Istpreis (periodischer Verrechnungspreis) ermittelt, bei dem alle Istkosten der jeweiligen Periode berücksichtigt werden.
Die Istkosten-Kalkulation ist sowohl unter ERP als auch unter S/4HANA nicht zwingend zu nutzen. Sofern sie genutzt werden soll, muss die Preisermittlung für den entsprechenden Bewertungskreis (Werksebene) geändert werden. Wenn die Preisermittlung in einem bestehenden System geändert wird, sodass die Istkosten-Kalkulation zukünftig aktiviert ist, dann müssen auch die Materialien der Bewertungskreise (Werke) umgestellt werden, da dies nicht automatisch durch die Aktivierung im Customizing geschieht. Wenn die Ist-Kalkulation eingeschaltet ist, steht ein gewisses Standard-Customizing zur Verfügung, das genutzt werden kann. Es ist aber auch möglich, dieses Customizing kundenspezifisch zu modifizieren, sodass unternehmensspezifische Prozesse oder Vorgänge entsprechend im Material Ledger berücksichtigt werden können. Grundsätzlich gibt es in der Ist-Kalkulation bestimmte Kriterien und Kategorien, nach denen entschieden wird, ob eine bestimmte Materialbewegung in die Preisbewertung einfließt oder nicht.
So haben beispielsweise Zugänge und sonstige Verbräuche Einfluss auf den Istpreis, während normale Verbräuche mit dem Standardpreis bewertet werden und die Preisbewertung nicht beeinflussen. Anhand dieser Kriterien und Kategorien sammelt das System alle Informationen, um für eine Periode einen Istpreis zu ermitteln.
Testautomatisierung
Im Material Ledger werden für die Istkosten-Kalkulation auch Preisdifferenzen fortgeschrieben. Dies geschieht unter einem bestimmten Vorgangsschlüssel: PRY. Unterhalb dieses Schlüssels sind noch weitere Modifikationen vorhanden, die die Preisdifferenzen untergliedern in einstufige und mehrstufige Differenzen. Während einstufige Differenzen direkt mit dem Material zusammenhängen (wie beispielsweise Einkaufspreisabweichungen oder Verbrauchsabweichungen) sind mehrstufige Differenzen auch mit untergeordneten Materialien verbunden, die dann an die nächsthöheren Materialien der Produktionskette weitergegeben werden. Die Preisdifferenz wird im Detail des Material-Ledger-Beleges fortgeschrieben und kann jederzeit analysiert werden.
Kalkulationslauf
Die tatsächlichen Materialkosten werden in einem Kalkulationslauf berechnet. In der Regel gehört dieser Lauf zu den Aktivitäten im Periodenabschluss, sofern die Istkosten-Kalkulation durchgeführt werden soll. Innerhalb der Kalkulation werden die aufgelaufenen Preisdifferenzen (einstufig und mehrstufig) innerhalb der Vorperiode kumuliert, die den entsprechenden Materialien zuzuordnen sind. Der Kalkulationslauf durchläuft insgesamt 5 Schritte, die für die betreffende Periode durchzuführen sind:
1. Selektion der Daten (Auswahl der betreffenden Materialien)
2. Vorbereitung der Daten (Einordnung der Materialien in Kalkulationsstufen)
3. Abrechnung der Daten (Zuordnung der Differenzen pro Kalkulationsstufe)
4. Buchen der Differenzen (Buchung der Differenzen auf Hauptbuchkonten entsprechend der Kontenfindung)
5. Vormerken der Preise (nur notwendig, wenn ermittelte Istkosten als zukünftiger Standardwert gespeichert werden soll)
Optional können Sie das Ergebnis des Kalkulationslaufes als neuen Standardpreis im Materialstamm für die zukünftige Periode sichern. Grundsätzlich haben nun alle Materialien einer Produktionskette die entsprechenden Werte erhalten, sodass jetzt auch etwaige Preisdifferenzen auf jeder Produktionsebene berücksichtigt sind. Dadurch werden Preisschwankungen dem dazugehörigen Material zugeordnet. Über die Materialpreisanalyse können Sie nun eine detaillierte Übersicht über alle Warenbewegungen inklusive aller Preisdifferenzen und den Istkosten erhalten.
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